Defizite und Chancen der Deutschen Milchschaftzucht
1. Das Deutsche Milchschaf wird als eine der leistungsfähigsten Milchschafrassen in der Welt beschrieben. Es diente vielen Menschen in schlechten Zeiten als Ernährungsgrundlage und Einkommensquelle, wurde gerne zur Verbesserung anderer Milchschafrassen in anderen Teilen Europas eingesetzt, und ist auch heute noch die Basis für die Schafmilcherzeugung in Deutschland
2. Leider werden immer weniger Milchschafe gehalten und in der Herdbuchzucht betreut. Allein in den letzten fünf Jahren haben sich die Zuchtbestände (2005-2009) mehr als halbiert. Nur 602 Mutterschafe in 53 Betreiben unterliegen noch der MLP. Die durchschnittliche Herdengröße der geprüften Tiere liegt bei 11-12 Mutterschafen. Die Milchleistung (150-Tage-Laktation) wird mit ca. 350 kg bei einem Fett- und Eiweißgehalt von jeweils 6% und 5% angegeben (ICAR, 2008). Die Zuchtstruktur beim Milchschaf ist mit 70 000 Tiere, 8 000 Herdbuchtiere, und nur 600 Tiere in der Leistungsprüfung äußerst fragil.
3. Die kleine Milchschafpopulation ist über ganz Deutschland verteilt und wird in 14 Landeszuchtverbände züchterisch gepflegt. Diese Vielfalt und die bisherige Organisation der Zuchtarbeit (Schwerpunkt liegt auf dem direkten Vergleich von Zuchttieren und der Betrachtung unkorrigierter Leistungsdaten im Sinne eines Herden-Gefährten-Vergleichs, Eingruppierung in Zuchtklassen, kein züchterischer Schwerpunkt auf Euterqualität) hat zu einer Stagnation der Leistungen und einem abnehmenden Interesse an dieser Rasse geführt
4. Erst in den letzten zwei Jahren besteht über die verbandsübergreifende Herdbuchführung bei der VIT-Verden, die Möglichkeit effizientere Zuchtmaßnahmen zu ergreifen. Jedoch sind bisher nur 4 Landeszuchtverbände mit der MLP diesem System angegliedert.
5. Parallel hat sich in Frankreich die organisierte Zucht beim Lacauneschaf weiter entwickelt. Kenndaten sind: Bestand 900 000 Tiere, 173 568 Tiere mit MLP (Methode A), 504 801 MLP (Methode D), QTL-Analysen für Marker assistierte Selektion, Identifizierung von Kausalmutationen für Genomische Selektion, ZWS, Bockkataloge, KB; damit werden kontinuierlich Zuchtfortschritte realisiert und die Wettbewerbsposition der Lacauneschafe verbessert.
6. Forderungen der Erwerbshalter von Milchschafen in Deutschland beinhalten: Zuchtziele und Merkmalserhebungen an wirtschaftliche Bedürfnisse anpassen, Vereinheitlichung der Zuchtarbeit, Vereinfachung der MLP, Verbesserung der Melkbarkeit, Bereitstellung von geprüften Zuchttieren mit verlässlichen Zuchtwerten.
7. Chancen für die Steigerung der Zuchteffizienz beinhalten:
- a. Vereinfachte Verfahren der MLP (nach ICAR) nach Methode A mit alternierender Kontrolle (T) oder einmalig pro Tag und korrigiert auf Tagesgemelk (C),
- b. Überprüfung der Anwendbarkeit (Genauigkeit der Leistungsbewertung)von MLP-Verfahren mit einer reduzierten Zahl von Testtagen (bes. Methode D und E),
- c. Reduzierung der Testtage für Inhaltsstoffbewertung, wie auch in Frankreich und Italien,
- d. Anwendung einer einheitlichen linearen Eutermerkmalsbeschreibung (Zitzenwinkel, Euterband, Eutertiefe).
- e. Einbeziehung aller Erst- und Zweitlaktierenden in die MLP, weitere Prüfung von potentiellen Bockmüttern
8. Die gegenwärtige Auswahl von Zuchtböcken erfolgt vorwiegend auf Basis von Exterieurbenotung, Leistungen von Vorfahren ohne systematische Ausschaltung systematischer Einflüsse (Problem der Betriebseffekt) und ohne effiziente Bewertung der Euterqualität. Die Genauigkeit dieser Leistungseinschätzung ist niedrig und daher sind Fortschritte in der Zuchtarbeit begrenzt.
9. Herausforderungen in der Zucht umfassen:
- a. konsequente Nutzung der zentralen Zuchtdatensammlung und –verarbeitung,
- b. Erhebung linear erfasster Eutermerkmale,
- c. kostengünstige Durchführung der MLP entwickeln,
- d. Entwicklung eines Testtagsmodels für ZWS von Mutterschafen und Zuchtböcken,
- e. Korrektur von systematischen Effekten auf die Leistungen, Überwindung von Betriebseffekten durch Berechnung der genetischen Verbindung zwischen Zuchtböcken,
- f. Anwendung des BLUB-Mehrmerkmals-Tiermodels
10. Mit der zentralen Zuchtdatenverarbeitung kann die bisherige Intra-Herden-Gefährten-Selektion auf die weibliche Remonte begrenzt werden und die Selektion besonders der Böck-Väter auf Basis der ZWS aller geprüften Tiere erfolgen. Die optimale Zuchtprogrammstruktur sollte alle Zuchttiere umfassen; dieses scheint möglich, wenn die nächsten Schritte in der Vereinheitlichung der Leistungsprüfung, Datenverarbeitung und ZWS umgesetzt werden.
11. Die Realisierung dieser Chancen kann nur durch massive Forderungen der Erwerbs-Milchschafhalter und eine konzertierte Einbindung der verantwortlichen Zuchtverbände erfolgen. Wenn dies nicht gelingt, wird das Milchschaf zum Hobbyschaf.
Zur Darstellung der Bedeutung der Erhaltung des Milchschafes, des Nebenerwerbs und der regionalen Vermarktungsmöglichkeiten kann ein Interview mit Herrn Joachim Jarick geführt werden (joachim.jarick@lausitz.net) Tel: 035604 40516
Kurt J Peters, Humboldt Universität zu Berlin